COVID-19 UND PATENTSCHUTZ: DER AUFRUF DER WHO ZU EINER INITIATIVE FÜR IMPFSTOFFE UND BEHANDLUNGEN

09/06/2020

Letzten Monat hat die Weltgesundheitsorganisation einen Vorschlag der Vertretung Costa Ricas aufgegriffen zur Einrichtung einer Solidaritätsplattform für die gemeinsame Nutzung von Patenten für Wirkstoffe und Vorrichtungen zur Bekämpfung des Covid -19. Angesichts des monopolistischen Charakters gewerblicher Schutzrechte und der vielen verschiedenen gelagerten Interessen wirft der Vorschlage viele Fragen auf. Zu den in Ausgleich zu bringenden Rechten gehören das Recht auf Gesundheit und das der freien wirtschaftlichen Initiative.

 

Initiative der Weltgesundheitsorganisation
Am 18. Mai 2020 befürwortete die Weltgesundheitsorganisation die Initiative zur Schaffung eines „Covid-19 – Intellectual Property Pool“. Der Vorschlag, der vor einigen Wochen von Vertretern des Staates Costa Rica vorgestellt worden war, zielt darauf ab, eine Solidaritätsplattform für den Austausch von Patentrechten, Testdaten und anderen Informationen zu schaffen, die für die Entwicklung von Covid-19-Medikamenten, Impfstoffen und Diagnosemethoden notwendig oder nützlich sind.
Die Initiative ist von der Sorge getragen, dass in naher Zukunft medizinische Produkte gegen Covid-19 für den ärmsten Teil der Weltbevölkerung nicht zugänglich sein werden. Die grundlegende Idee der Initiative ist die Schaffung einer Plattform auf Basis freiwilliger Solidarität unter der Ägide der WHO, um einen gemeinsamen Ansatz von Regierungen, Unternehmen, Universitäten und gemeinnützigen Organisationen zu schaffen. In diesem Zusammenhang erwägt die Weltgesundheitsversammlung – das höchste Entscheidungsgremium der WHO – die Annahme der von der Europäischen Union vorgelegten Resolution. Diese greift den oben erwähnten Vorschlag Costa Ricas auf, der darauf abzielt, weniger entwickelte Ländern Zugang zur Verwendung von Erfindungen sicherzustellen, die in Patentanmeldungen für Arzneimittel oder medizinische Produkte gegen Covid-19 beansprucht werden.
Die Frage ist angesichts des monopolistischen Charakters der Rechte an geistigem Eigentum ziemlich heikel: sie würde eine Ad-hoc-Regelung erfordern, die – obwohl die aufgrund der durch COVID-19 geschaffenen Situation eine Besonderheit darstellt – die allgemeinen systematischen Grundsätze respektieren muss und die die wirtschaftlichen Auswirkungen angemessen regulieren könnte. Es stehen zahlreiche Interessen auf dem Spiel: erstens nationale Interessen, insofern als das ein Medikament oder Impfstoff gegen Covid-19 von staatlicher Seite auch als geopolitischer Wettbewerbsvorteil genutzt werden kann. Zweitens müssen die geistigen Eigentumsrechte der Pharmaunternehmen berücksichtigt werden, denen eine wirtschaftliche Rentabilität der getätigten Investitionen garantiert werden sollte (im Fall von Covid 19 erfolgte eine in der Geschichte der medizinischen Forschung einzigartige Mobilisierung menschlicher und finanzieller Ressourcen). Schließlich sollte die öffentliche Gesundheit als primäres Gut geschützt werden, da es sich um ein Grundrecht handelt, das in allen Verfassungen anerkannt wird.

Wissensaustausch oder Zwangslizenzen für Patente?
Es sind zwei mögliche Wege der internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen Covid-19 zu unterscheiden. Die Staaten könnten zusammenarbeiten, um neue Medikamente, Impfstoffe und Diagnoseverfahren zu entwickeln und herzustellen, auch durch die Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten oder Forschungszentren. In diesem Fall könnte anlässlich des oben erwähnten „Aufrufs“ der WHO eine Vereinbarung angestrebt werden, um einen fairen Zugang zu jedem medizinischen Produkt zu gewährleisten, das aus gemeinsamer Forschung resultiert. Alternativ dazu könnten etwaige Schutzrechte des privaten Sektors und deren Verkehr so geregelt werden, dass ihre Nutzung durch die größtmögliche Anzahl von Menschen weltweit gewährleistet ist. Hier ergeben sich verschiedene Möglichkeiten: entweder könnte, wie die WHO es vorschlägt, eine Aussetzung der gesetzlichen Monopolrechte auf die Erfindungen erfolgen, die speziell zur Heilung und Behandlung von Covid-19 bestimmt sind (darüber hinaus sollte eine Unterscheidung hinsichtlich der Ätiologie der Symptome getroffen werden, die Covid-19 mit anderen Pathologien gemeinsam hat), was eine Neugestaltung und Beschränkung dieser Rechte bedeuten würde.
Der Ansatz der Plattform eines freiwilligen Austausches unterscheidet sich von dem von Nichtregierungsorganisationen und akademischen Experten unterbreiteten Vorschlag der Anwendung staatlicher Zwangslizenzen. Letztere stellen eine vom TRIPS – Abkommen der Welthandelsorganisation vorgesehene Möglichkeit dar. Zwangslizenzen erlauben es, unter bestimmten Voraussetzungen patentierte Arzneimittel ohne Zustimmung des Patentinhabers herzustellen oder aus einem anderen Land zu importieren, wenn das importierende Land nicht über die notwendigen industriell-pharmazeutischen Kapazitäten verfügt (sog. Parallelimporte).
Die Zwangslizensierung erfolgt unter verschiedenen Voraussetzungen. Zunächst muss tatsächlich ein nationaler Gesundheitsnotstand vorliegen, so dass ein formeller Antrag an den Patentinhaber auf eine sofortige Erlaubnis zur Herstellung der erforderlichen Arzneimittel gestellt werden kann. Erst wenn dieser seine Zustimmung verweigert, ist der Rückgriff auf das Institut der Zwangslizenz eröffnet. Dies setzt jedoch die Bereitschaft voraus, dem Patentinhaber eine angemessene Gebühr zu zahlen sowie die zeitliche und geografische Begrenzung der Lizenz.
Im Laufe der Jahre haben eine Reihe von Entwicklungsländern als Reaktion auf hohe Arzneimittelkosten auf das Instrument der Zwangslizenzen zurückgegriffen, zum Nachteil der Pharmaindustrie. In diesem Zusammenhang sind zwei Streitigkeiten erwähnenswert: eine in Südafrika (siehe South African Pharmaceutical Manufacturers Association vs. The Government of South Africa, Fall Nr. 4183, 1998, High Court of Pretoria) und die andere in Indien (siehe Novartis AG vs. Union of India (UOI) und Ors. Uol & Ors.; M/S Cancer Patients Aid Association v. Uol & Ors), an der zwei große Pharmaunternehmen beteiligt sind. Letztere hatten die oben genannten Staaten beschuldigt, die Klauseln über die Beschränkung des geistigen Eigentums im TRIPS -Übereinkommen in einer zu weit gehenden Weise umgesetzt und ausgelegt zu haben, wodurch die einschlägigen Verfassungsgrundsätze über wirtschaftliche Freiheiten verletzt worden seien. In den streitigen Auseinandersetzungen betonten die nationalen Gerichte schließlich die sozialen Rechte und andere Grundrechte wie das Recht auf Leben, Gesundheit und Menschenwürde und legitimierten damit die Wirtschaftspolitik dieser Länder bei der Anwendung der im TRIPS-Übereinkommen enthaltenen Klauseln zur Beschränkung des geistigen Eigentums.

Das (derzeitige) Widerwillen westlicher Länder, sich der Plattform des Austausches anzuschließen
Der formelle Start der Austauschplattform und damit der Aussetzung der Anwendung gewerblicher Schutzrechte für pharmazeutische oder medizinische Produkte gegen Covid-19 war für den 29. Mai 2020 geplant. Nach den bisherigen Mitteilungen der WHO waren die ersten Länder, die die Initiative unterstützten Ägypten, Argentinien, Bangladesch, Barbados, Belize, Brasilien, Bhutan, Chile, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Honduras, Indonesien, Libanon, Luxemburg, Malaysia, Malediven, Mexiko, Mongolei, Mosambik, Norwegen, Oman, Pakistan, Palau, Panama, Peru, Portugal, St. Vincent und die Grenadinen, Sri Lanka, Südafrika, Sudan, die Niederlande, Osttimor, Uruguay und Simbabwe. Noch immer fehlen die westlichen Länder (die Mehrheit der EU- und US-Mitgliedstaaten) – sowie Israel, China, Japan, Indien – in denen große Pharmaunternehmen ansässig sind. Die aktuelle Liste enthält daher viele Entwicklungsländer, die über keine besonders entwickelten technologischen, Produktions- oder Vertriebskapazitäten verfügen.

Maßnahmen einzelner Staaten gegen das Covid-19-Impfstoffmonopol
Im aktuellen Kontext einer globalen Pandemie haben nicht nur die sogenannten „Entwicklungsländer“ das Instrument der Zwangslizenzen angewendet. Im Zusammenhang mit Covid-19 Staaten bewegen sich Staatem wie Deutschland, Israel, Ecuador, Brasilien und Chile ebenfalls in Richtung Zwangslizenzen für Patente, während das Vereinigte Königreich und Kanada die Entkriminalisierung der Nutzung von im Zusammenhang mit dem Covid-19 stehenden Patenten vorgesehen haben, was für diese Patente die Beseitigung des Straftatbestands der Patentverletzung bedeuten würde. Der Zweck der Zwangslizenz wäre es hingegen, einen fairen Zugang zu Medikamenten für die Pandemiebehandlung zu gewährleisten. Einige Rechtssysteme, darunter das italienische, erlauben es dem Staat, jedes Patent aus Gründen der öffentlichen Nützlichkeit gegen eine an den Inhaber des gewerblichen Schutzrechts zu zahlende Entschädigung in Besitz zu nehmen. Es handelt sich um ein echtes Enteignungsverfahren, mit dem durch Aufhebung des gesetzlich vorgesehenen Monopols eine Solidarität des Patentinhabers erzwungen wird. Es wird jedoch vermutet, dass Pharmaunternehmen in der gegenwärtigen Situation daran interessiert sein könnten, freiwillig, unentgeltlich oder auf jeden Fall in „sozialverträglicher“ Weise Exklusivrechte an Medikamenten oder Impfstoffen gegen Covid-19 zu gewähren, dank des enormen Imagegewinns, zu dem eine solche Maßnahme voraussichtlich beitragen würde.

Das Verfahren der Enteignung des Patents für nationale Gebrauchsmuster in Italien
Artikel 141 Abs. 1 des italienischen Gesetzbuches zum Schutz geistigen Eigentums sieht vor, dass gewerbliche Schutzrechte, mit Ausnahme von Markenrechten, vom Staat im Interesse der militärischen Landesverteidigung oder aus anderen Gründen des öffentlichen Nutzens enteignet werden können.
Der Staat kann einerseits das Recht als Ganzes enteignen, aber er kann sich auch das Recht nehmen, die Erfindung im nationalen Interesse und für einen bestimmten Zeitraum zu nutzen.
Der zweite Absatz spezifiziert, dass die Enteignung auf das Nutzungsrecht für die Bedürfnisse des Staates beschränkt werden kann, vorbehaltlich der Bestimmungen über Zwangslizenzen, soweit diese kompatibel sind.
Die nationale Gesetzgebung regelt die Enteignung gewerblicher Schutzrechte nicht im Detail und ist bisher noch nie Gegenstand der Rechtsprechungspraxis gewesen. Jedenfalls geht aus dem Wortlaut des Artikels 141 hervor, dass die Enteignung gewerblicher Schutzrechte an bestimmte Bedingungen geknüpft ist.
Die Enteignungsmaßnahme wird per Präsidialerlass und infolge eines recht komplexen, gesetzgeberischen Verfahrens erlassen. Konkret erfolgt die Enteignungsanordnung per Erlass des Präsidenten der Republik auf Vorschlag des zuständigen Ministers im Einvernehmen mit den Ministerien für produktive Tätigkeiten, Wirtschaft und Finanzen und nach Anhörung der Stellungnahme der Berufungskommission des italienischen Marken- und Patentamtes. Artikel 194 des zitierten Gesetzes sieht auch vor, dass eine Kopie des Erlasses im Amtsblatt des italienischen Patent- und Markenamtes (UIBM) veröffentlicht wird, solange dem Staat aus der Veröffentlichung kein Schaden erwachsen kann. Darüber hinaus muss der Erlass in den für Zivilverfahren vorgesehenen Formen etwaigen betroffenen Dritten zugestellt werden. Danach erwirbt die öffentliche Verwaltung das Gegenstand der Enteignung bildende Recht und kann es innerhalb der im Erlass festgelegten Fristen und Dauer in Anspruch nehmen. Zuletzt wird der Enteignungserlass vom Patent- und Markenamt in das Register der gewerblichen Schutzrechte eingetragen. Nur bei Enteignungen aufgrund militärischer Notwendigkeit gilt die Geheimhaltung.
Der Präsidialerlass muss eine gerechte Entschädigung zugunsten des Inhabers des gewerblichen Schutzrechts vorsehen.
Deren Höhe wird nach Anhörung der Beschwerdekammer auf der Grundlage des Marktwerts festgelegt. Das Gesetz gibt jedoch nicht die konkreten Parameter vor, anhand derer die Höhe einer solchen Entschädigung ermittelt werden soll. Falls keine Einigung über die Entschädigungshöhe erzielt wird – Art. 143 des Gesetzbuches zum gewerblichen Rechtsschutz sieht vor, dass der Rechtsinhaber dem durch den Erlass festgelegten Wert widersprechen kann – wird dieser von einem Schiedsgericht festgelegt. Dieses muss eine faire Bewertung treffen, wobei der Verlust des aus dem Schutzrecht resultierende Wettbewerbsvorteil berücksichtigt werden muss.
Wie bereits erwähnt, können die Maßnahmen der vollständigen Enteignung oder zwangsweise auferlegter Beschränkungen nur dann ergriffen werden, wenn Gründe des öffentlichen Nutzens vorliegen (abgesehen vom Interesse der militärischen Landesverteidigung).
Daher ist es notwendig zu verstehen, ob ein solcher Bedarf in der gegenwärtigen pandemischen Notsituation entstehen könnte. Die Frage ist keineswegs überflüssig, da bisher kein gesundheitlicher Notstand und keine Krankheit (auch nicht Herz-Kreislauf- oder Tumorerkrankungen, die zahlenmäßig weitaus größere Auswirkungen haben als alle anderen Krankheiten) jemals als Grund des öffentlichen Nutzens anerkannt wurde, der staatliche Eingriffe zur Regelung des Patentschutzes (Aussetzung) rechtfertigen oder die „Solidarität“ der Privatwirtschaft erzwingen könnte. Im weitesten Sinne könnte jedes Mittel, das auf den Schutz und die Erhaltung von Leben und Gesundheit des Menschen abzielt, fast per definitionem unter den Begriff des „öffentlichen Nutzens“ fallen. Es ist derzeit nicht absehbar, ob der von der WHO vorgenommene Ausruf einer Pandemie die mögliche Enteignung von Patenten auf Covid-19-Medikamente oder Impfstoffe rechtfertigen kann.
Da es keine einschlägige Rechtsprechung gibt, müssen die nationalen Gerichte, falls sich die Frage stellt, diese durch eine wohlüberlegte Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen lösen, wobei in diesem Fall das Recht auf Privateigentum und wirtschaftliche Initiative (Art. 41 der italienischen Verf.) und das Recht auf Gleichheit und Gesundheit (Art. 3 und 32 Verf.) zu berücksichtigen sind.
Interessant ist, dass eine derartige Beurteilung Gegenstand einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts der italienischen Region Latium war, und zwar in einem Fall, der nicht die Enteignung von gewerblichen Schutzrechten an Arzneimitteln, sondern die Dauer von Zusatzzertifikaten betraf (siehe Regionales Verwaltungsgericht Lazio, Abschnitt III vom 30.09.2003, Nr. 7858, in der Online-Datenbank De Jure). Bei dieser Gelegenheit bekräftigte das Verwaltungsgericht der Region, dass Art. 41 der Verfassung „jedoch kein absolutes Persönlichkeitsrecht ist und daher den Grenzen unterworfen ist, die die Verfassung selbst, auch mittels der vom Gesetzgeber regelmäßig vorgenommenen Umsetzung, vorsieht, wobei die offensichtlichen Grenzen der Zumutbarkeit und der substantiellen Gleichheit der Bürger für soziale Bedürfnisse beachtet werden müssen. Im Prinzip sind wirtschaftliche Effizienz und Rechtssicherheit der rechtlichen Beziehungen und des Verkehrs (insbesondere desjenigen von Dauer) zwar geschützte Werte, aber nicht hierarchisch vorherrschend in Bezug auf andere soziale Bedürfnisse. Die Wirtschaft, die nach dem Willen der Verfassung den gesetzlichen Regelungen des ordentlichen Gesetzgebers folgt, soll nicht nur von der Absicht inspiriert sein, unmittelbar wirtschaftliche Ziele zu verfolgen (Produktionssteigerung, finanzielles Gleichgewicht usw.), sondern auch von der Notwendigkeit geleitet werden, den Prozess der sozialen Umgestaltung zu aktivieren und zu begünstigen, dessen Grundzüge in Art. 3 Abs. 2 der Verfassung beschrieben sind“.
In dem zitierten Fall erkannten die italienischen Richter die wirtschaftliche Initiative als einen durch das System geschützten Wert an, hielten sie jedoch in Bezug auf das in Artikel 3 der Verfassung vorgesehene Prinzip der substanziellen Gleichheit für hierarchisch nicht vorherrschend.
Wendet man diese Perspektive auf die gegenwärtige Pandemiesituation an, so könnte im Hinblick auf die Gewährleistung der vollständigen Umsetzung des Prinzips der substanziellen Gleichheit das Recht, allen Bürgern Zugang zum Covid-19-Impfstoff zu gewähren, als ein höheres Recht als das der pharmazeutische Industrie, die den Impfstoff herstellt, auf Erhalt einer Vergütung und des gerechten Gegenwertes geleisteter Investitionen angesehen werden.

Konsequenzen
Unabhängig davon, ob die Entscheidungen in dieser Situation auf supranationaler Ebene getroffen werden (wie bei der WHO-Initiative zur Festlegung einer Aussetzung von Patentrechten oder jedenfalls zur Festlegung eines technischen Ausschusses, der ähnliche Lösungen zum Schutz der weniger glücklichen Teile der Weltbevölkerung vorschlägt) oder ob sie auf nationaler Ebene durch die Aktivierung von Enteignungsmaßnahmen oder die Erteilung von Zwangslizenzen getroffen werden, wird es in jedem Fall notwendig sein, die künftigen Auswirkungen solcher möglichen Initiativen – nicht nur auf rechtlicher Ebene – eingehend zu prüfen. Es wird notwendig sein, ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Investitionen von Pharmaunternehmen – aber auch von privaten oder öffentlichen Institutionen – und der Verfolgung des betreffenden Ziels, nämlich des leichteren Zugangs zu Behandlung und Impfstoffen zu suchen und zu finden. Damit soll auch sichergestellt werden, dass die Pharmaunternehmen weiterhin in Forschung und Entwicklung investieren, insbesondere im aktuellen Pandemiekontext, und dass die Forschung auch weiterhin privates Kapital anziehen kann. Auch darf eine Solidaritätsinitiative in der gegenwärtigen Situation keinen Präzedenzfall dafür schaffen, die Notwendigkeit des Patentschutzes für pharmazeutische oder medizinische Erfindungen in Frage zu stellen. Die Pandemie stellt – bereits aufgrund ihres Ausrufes durch die WHO – eine atypische, mit keiner anderen vergleichbaren Situation dar, die die Einführung einer besonderen Ausnahme rechtfertigen könnte. Dies darf jedoch keinesfalls ein generelles Prinzip von enormer Bedeutung für die technische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines jeden Landes, wie das des Patentschutzes für pharmazeutische und medizinischen Erfindungen in Frage stellen, sondern muss im Gegenteil vielmehr zu dessen Bestätigung beitragen.

Luigi Goglia, Camilla Macrì